Myra Anam
Ich bin 17 Jahre alt. Ich bin ein Mensch mit Persönlichkeit, Schwächen und Stärken. Meine Lieblingsfarbe ist Rot, ich interessiere mich für Naturwissenschaften und Politik.
Meist spielt all dies keine Rolle. Ich bin eine Person of Color, eine junge Frau, muslimisch aufgewachsen und wohne in der Jugendhilfe. Das wird von anderen Menschen wahrgenommen. Nicht ich.
Schon meine Erfahrungen mit Diskriminierung sind zahlreich und herzzerbrechend. Ich besuche momentan die 12. Klasse des Gymnasiums, beherrsche die deutsche Sprache, kann mich ausdrücken und habe einen deutschen Pass. Die Diskriminierung, die ich von Tag zu Tag erfahre, ist nicht das Hauptproblem.
Es gibt zahlreiche Menschen, die so viel mehr Leid erfahren als ich, aber nicht die Möglichkeit dazu haben, dies zu teilen und Verbesserung, die ihnen zusteht, einzufordern. Systematische beziehungsweise politische Unterdrückung ist das Problem. Diese beinhaltet, dass Menschen durch den Staat und Ideologien in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden. Beispiele hierfür sind, dass Langzeitarbeitslose kein Anrecht auf den Mindestlohn haben, wenn sie anfangen zu arbeiten oder dass Menschen ohne eine Staatsbürgerschaft eines EU-Landes trotz Aufenthaltserlaubnis in Deutschland eine zusätzliche Arbeitserlaubnis brauchen. Behörden sind sehr langsam und gewährleisten nicht genug Unterstützung für die, die sie brauchen. Menschen werden gehindert, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. All dies ist eine Form von systematischer Ungerechtigkeit.
In Deutschland gibt es noch keine funktionierende intersektionale Antidiskriminierungspolitik. Wie kann das sein, wenn im Grundgesetz Artikel 3 §3 steht: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
In unserem Grundgesetz ist Intersektionalität und Antidiskriminierung festgeschrieben. Unsere Politik und viele unserer Bürger scheint dies nicht zu interessieren. Demokratie basiert auf Menschenrechten und Chancengleichheit. Sie funktioniert nur wenn sich alle Menschen entfalten können. Zahlreiche Menschen und ich haben nur eingeschränkt Möglichkeit hierzu. Uns werden zahlreiche Chancen verwehrt. Es kann nicht sein, dass eine Arbeitserlaubnis Wartezeiten von 10 und mehr Monaten mit sich bringt in Deutschland. Jeder sollte die Möglichkeit dazu haben, sich den Lebensunterhalt verdienen zu können vor allem in unserer sogenannten Arbeitsgesellschaft.
Systematische Unterdrückung existiert. Egal, ob sie sich in bürokratischen Prozessen oder in der Arbeitssuche zeigt. Es ist schrecklich, dass grundlos unterdrückt wird von einem System, dass eigentlich für Gleichheit und Freiheit steht.
Unsere Aufgabe ist es etwas dagegen zu tun. Sonst ändert sich nie etwas. Das Wichtigste, hierbei ist Diskriminierung in ihrer intersektionalen Vielfalt wahrzunehmen und dagegen vorzugehen.
Bei dem Kampf für geschlechtliche Gleichberechtigung wird häufig vernachlässigt, dass viele Menschen mehrere Formen von Diskriminierung erleben.
In Debatten rund um den Feminismus werden unzählige Statistiken angeführt. Daher hier ein paar Zahlen für euch.
Der unbereinigte Gender Pay Gap lag 2020 bei rund 18%. Um das konkret am Lohn festzuhalten. Der durchschnittliche Mann in Deutschland verdient 4.344€. Eine weiße Frau 3.540€. Die landeszentrale für politische Bildung schrieb in einem Artikel, dass in Deutschland arbeitende Menschen mit Migrationshintergrund, je nach Länge ihres Aufenthaltes zwischen 88% und 58% des gesamtdeutschen Vergleichswertes verdienen. Nur gegen den Gender Pay Gap vorzugehen reicht hier nicht.
Dies ist jedoch genau was White Feminism oder auch weißer Feminismus ausmacht.
“White feminism’s blueprint for empowerment is always about women participating in capitalism the way men do, and rarely about imagining a world where everyone’s basic needs are met.”
Dies ist ein Zitat von der LGBTQ+ Aktivistin Gabriella Alexa Noel.
Das ist nicht unser Ziel. Wir möchten, dass alle Menschen Teilhabe an der Gesellschaft haben. Und niemand, wirklich niemand an systematischer Unterdrückung leidet. Nicht aufgrund einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, des Geschlechts, der Herkunft, des Milieus, der Bildung, der Sprache oder des Glaubens.
Leider teilen nicht alle Menschen, diese Ansicht. Trotz der deutschen Geschichte findet rechtsextreme Ideologie weiterhin Anklang. Eine Studie aus dem April 2024 zeigt, dass 16% der deutschen Bürger die AFD wählen würden, wenn Bundestagswahlen in diesem Monat gewesen wären. Das ist jede 6. Person, die kein Problem damit hat, Neonazis, Klimaleugner und frauenverachtende Menschen zu wählen. Das ist nicht der Weg zu einer menschenrechtswahrenden, chancengleichen Gesellschaft. Dies ist keine funktionierende Demokratie.
Wir haben zahlreiche globale, humanitäre Krisen. Die Klimakrise ist einer dieser. Vor allem Klimaungerechtigkeit ist hierbei ausschlaggebend. Die Länder im globalen Süden sind stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen. Menschen mit wenig Geld erleben die Klimakrise heute schon deutlich. Die Krise ist kein Problem, welches nur auf ökologischer Nachhaltigkeit basiert. Soziale Ungerechtigkeiten zeigen sich auch in der Klimakrise. Unternehmen und reiche Menschen haben einen größeren ökologischen Fußabdruck. Egal wie viel Verpackungsmüll wir sparen oder Fahrrad fahren, Taylor Swifts Privatjet Flüge oder Heidelberg Materials Emissionen können wir nicht ausgleichen.
Eine gerechte Welt erfordert auch einen intersektionalen Kampf gegen Klimaungerechtigkeit. Wenn man gegen Diskriminierung vorgeht muss Intersektionalität immer mit beachtet werden. Nicht jede Lösung oder jeder Vorschlag ist immer für alle umsetzbar oder realistisch.
Liebe Zuhörer*innen,
es braucht Engagement, um etwas zu ändern. Das heißt: Zuhören! Und das nicht nur mir. Der Politik signalisieren, dass sie etwas ändern muss. Die zahlreichen Demonstrationen gegen rechts waren ein super Weg hierfür. Zeigt, dass die heutigen Maßnahmen nicht reichen, um gegen Diskriminierung vorzugehen. Rechtsextreme Ideologien müssen aus Deutschland verschwinden.
Ich möchte keinen Rassismus in der Schule erleben.
Ich möchte nachts nach Hause laufen können ohne Angst zu haben.
Ich möchte mir keine Sorgen machen, um die Zukunft der Erde und ihr Bestehen.
Ich möchte nicht meinen Glauben rechtfertigen müssen.
Ich möchte die Möglichkeit dazu haben mir die Bildung anzueignen, die ich möchte.
Ich möchte mir keine Sorgen machen, dass ich trotz deutschen Passes abgeschoben werden könnte.
Ich möchte meine Unterschiede als Stärken sehen können.
Ich möchte, dass alle Menschen in Deutschland an all dies glauben und dies Realität und nicht Fiktion ist.
Und ich WILL, dass das auch jeder und jedem möglich ist.
Nur durch euch können wir etwas ändern. Meine Stimme allein reicht hierzu nicht aus.
Ich finde es unfassbar schade, dass ich und zahlreiche andere Menschen in meinem Alter sich mit Diskriminierung und globalen Krisen auseinandersetzen, während globale und humanitäre Krisen von vielen älteren und einflussreicheren Menschen missachtet wird.
Also ändert etwas! Steht intersektional für eine Gerechte Welt! Bringt intersektionale Ansätze nicht nur euren Kindern aber auch euren Eltern und Freunden bei!
Für intersektionale Antidiskriminierungspolitik!
Dankeschön!