Philipp Hill
Ich bin behindert und stolz.
Es ist nicht selbstverständlich, dass ich heute hier stehe und sage: Ich bin behindert und stolz.
Vielleicht bist du auch irritiert. Vielleicht fragst du dich: Behindert und stolz – passt das eigentlich zusammen? Und ich frage mich, woher all diese Zweifel stammen.
Viele Leute denken, dass behinderte Menschen hinter fest verschlossenen Türen ein weniger erfüllendes Leben führen. Als behinderter Mensch sei der Alltag nicht so lebendig und frei. Im Vergleich zu den vermeintlich nichtbehinderten Menschen. Genau das sind die Vorurteile, gegen die wir noch kämpfen. Denn was kommt dir in den Sinn, wenn du an das Wort behindert denkst? Für viele ist behindert-sein schlimm und etwas Unbekanntes, was sie nicht kennen. Ob auf dem Schulhof oder im Deutschrap – sie ziehen das behindert-sein in den Schmutz, denn das Wort behindert wird immer noch als Schimpfwort genutzt. In unseren Köpfen ist behindert-sein mit etwas Schlechtem verknüpft. Angeblich sind wir schwach, hilflos oder auch verrückt.
Viele meiner Freund:innen haben Angst. Angst, sich selbst als behindert zu bezeichnen. Angst, sich als behinderte Menschen zu zeigen. Ich verstehe diese Angst. Denn ich kenne diese Angst. Auch ich spüre sie in mir aufsteigen und gleichzeitig werde ich nicht wortlos bleiben. Nein!
Wir bleiben nicht schweigsam, sondern reden gemeinsam, nicht über- sondern miteinander. Denn mit dem, was wir fühlen, stehen wir nicht allein da. Was wir erleben, sind keine Einzelfälle.
Die Quelle dieser Vorurteile, die ein jede:r hier kennt, ist ein System, das Menschen trennt. Ein System, das – den meisten Leuten unbekannt – Grenzen zwischen Menschen spannt. Weswegen sich viele Menschen voneinander entfernen, bevor sie einander kennenlernen.
Wenn wir diesem System Glauben schenken, dann soll das Spektrum der menschlichen Vielfalt einem Wir unter Gleichen weichen. Auf der einen Seite gibt es dann die Einen und gegenüber die Anderen. Dieses System lässt uns glauben und denken, dass Menschen ungleich viel wert seien - mal offen feindselig oder zwischen den Zeilen. Und so ziehen sich Risse durch mich und dich und zwischen uns beiden.
Lasst uns endlich wieder reden. Darüber, was uns trennt und eint. Erste Worte für ein neues Zusammenleben. Erste Worte in einem langen Satz, an dessen Ende zwar nur ein loser Punkt steht, der aber dafür mit einem großen Und vorangeht. Eine Geschichte, die es sich zu schreiben lohnt, eine Geschichte in Richtung Inklusion.
Inklusion heißt für mich, die Gesundheit der Menschen und des Planeten zu schützen, indem wir unser aller Verletzlichkeit achten, füreinander sorgen und uns unterstützen.
Wir sind verletzliche Wesen und leben in einer verletzlichen Welt – was uns nicht zuletzt die Klimakrise zeigt, solange der Mensch sich selbst und den Planeten über seine Grenzen treibt.
Schon bei der Geburt sind wir verletzlich gewesen – und es wird in unserem Leben immer wieder so sein. Wir alle schaffen eben vieles nicht ganz allein und brauchen Unterstützung von den Menschen um uns herum.
Es kommt nicht darauf an, was du weißt und kannst und überhaupt erreichst, wenn du ganz alleine bleibst. Weil wir alle in Abhängigkeiten leben. In Netzwerken unterstützen. Und wenn Unterstützungsnetze fehlen, wir sie einfach knüpfen. Indem wir mit Taten und Worten füreinander da sind und sorgen, miteinander teilen, lernen, lachen und heilen, wachsen wir zusammen. Nur durch Fürsorge und Zärtlichkeit für uns selbst, für andere und für den Planeten wachsen wir wirklich zusammen.
Inklusion bedeutet, dass alle Menschen unterschiedlich und gleich viel wert sind. Dass wir nicht verrückt oder verkehrt sind, sondern dazugehören, genauso wie wir sind. Und das kann uns niemand mehr nehmen. Inklusion heißt Widerreden. Laut gesprochenen als Worte, Silben und Verben oder auch als Sprachgebärden. In der Welt und in uns selbst kämpfen wir gegen Barrieren und Widerstände, sprengen wir Ketten, Mauern und Wände.
Auch wenn wir noch nicht ganz begreifen, was diese starken Worte heißen: Differenz und Gleichwertigkeit stehen nicht im Widerstreit.